Neue Allianzen in Staffel 2? Fotos: BBC America |
Ich war schon immer ein Serienjunkie. Sobald ich anfange eine Serie gut zu finden, komme ich nicht mehr davon los, bis ich alle Folgen gesehen habe, ich kaufe mir englische DVDs, ich terrorisiere meine Bibliothek mit Anschaffungswünschen, ich gucke auch mal acht Folgen BSG oder Doctor Who am Stück. Aber es gibt nur wenige Serien, die so gut sind, dass sie einen derart fesseln. Doch jetzt hat es mich wieder erwischt, mit einer Serie aus Kanada, Orphan Black.
Die Ausgangssitaion erzeugt gleich große Spannung: Sarah Manning kehrt nach längerer Zeit nach London zurück, sie will ihr Leben wieder auf die Reihe kriegen und ihre kleine Tochter wieder zu sich holen. Doch dann passiert etwas äußerst Merkwürdiges. Sie sieht zu, wie sich eine Frau, die genauso aussieht wie sie selbst vor den Zug wirft. Ihre Tasche hat die Frau dagelassen und Sarah nimmt sie kurzerhand an sich und die Identität der toten Frau an, denn die hat eine Menge Geld, dass Sarah gut gebrauchen könnte. Ehe sie weiß, wie ihr geschieht befindet sie sich in einem tödlichen Netzwerk aus undurchsichtigen Feinden und neuen Freunden.
Ohne zu viel verraten zu wollen, es wird bald klar, dass Sarah und die Frau die sich umgebracht hat, Beth, Klone sind. Und es gibt noch mehr von ihnen. Bald treffen wir auch Cosima, Alison und Helena.
Sarah muss sich nicht nur damit auseinandersetzen, dass sie ein Klon ist und dass sie als Beth so tun muss als wäre sie eine Polizistin, sie muss auch aufpassen, dass niemand und vor allem nicht ihr Partner bei der Polizei hinter ihr Geheimnis kommt.
Es ist unmöglich, Orphan Black zusammenzufassen, ohne zu viel zu verraten.
Was die Serie so besonders macht ist neben der guten Grundidee und dem Skript, das immer wieder neue Überraschungen birgt, vor allem die Charaktere. Alle Klone haben komplett unterschiedliche Persönlichkeiten. Sarah ist die Hauptfigur, eine punkig angezogene junge Frau, als Pflegekind aufgewachsen, vielleicht hat sie mal auf der Straße gelebt, sie ist tough und lässt sich nichts sagen. Beth dagegen hatte scheinbar ein perfektes Leben mit Karriere und gutaussehendem Partner in einem Luxus-Appartment. Alison wird von Sarah als Tennis-Mum bezeichnet, sie lebt in einem Reihenhaus in guter Nachbarschaft, trägt Srickjäckchen und Stirnband, die perfekte Hausfrau. Doch bei Alison beginnt bald das Familienidyll zu bröckeln und sie zeigt eine andere Seite. Komplett anders ist dann Cosima, mit Rastazöpfen, Brille und Doktortitel, lesbisch und das Ebenbild einer Mittelschichtsakademikerin.
Tatiana Maslany verdient alle Preise, die es gibt für diese Leistung, sie verkörpert jede Figur auf ganz andere Weise, ständig vergisst man, das das alles von einer Schauspielerin gespielt wird, so unterschiedlich sind Mimik, Gestik, Akzent.
Aber es ist nicht nur diese Leistung, auch die Figurenzeichnung im Skript ist außergewöhnlich. Auf den ersten Blick erscheinen die Charaktere stereotyp, doch sie zeigen im Laufe der Handlung immer mehr Facetten, entwickeln Tiefe. Auch Felix, Sarahs bester schwuler Freund, der alles für sie tut, hätte klischeehaft wirken können, mit seinem ausschweifenden Sexleben, Drogenkonsum und extravagantem Stil. Doch er ist es nicht, auch durch Jordon Gavaris' Spiel. Doch auch wenn der schwule beste Freund hier nicht neu erfunden wird, es sind vor allem die Frauenfiguren, die Orphan Black so besonders machen. Doe Klone zeigen Figuren, wie man sie so noch nie gesehen hat, vor allem nicht zusammen in einer Serie.
Auch die Nebenfiguren wie Sarahs Pflegemutter Misses S. oder Delphine passen dazu. Alle Hauptfiguren sind Frauen, ohne dass es in der Serie um "Frauenthemen" ginge, wenn irgendeine Serie den Bechdel-Test (ein Test, bei dem man sich fragt, ob es hier mehr als eine weibliche Hauptfigur gibt und ob die Frauen miteinander über etwas anderes als über Männer reden) besteht, dann diese.
Ich kann gar nicht sagen, welcher mein Lieblingsklon ist. Ich liebe die Auftritte der durchgedrehten Helena, einem Klon, der den anderen gegenübersteht als ausgebildete Serienkillerin, mit ukrainischem Akzent und unklaren Absichten. Bei Helena ist auch Maslanys Verwandlung am beeindruckendsten. Aber es ist Sarah, die für mich insgesamt die interessanteste Figur darstellt, denn es ist lange her, seit ich eine ähnliche Frauenfigur in einer Serie gesehen habe. Häufig werden Frauenfiguren, die Außenseiter darstellen, als sozialinkompetent und merkwürdig hingestellt. Wenn es denn überhaupt mal eine Frau gibt, die nicht in jeder Szene perfekt geschminkt und angezogen ist. (Klar sitzt das Make-up, wenn man wochenlang in der Urzeit verschollen ist, und nichts mehr zu Essen hat.) Was zum Beispiel in True Blood mit Tara noch sehr gut angefangen hat, nahm leider qualitativ immer mehr ab. Meine Lieblingsfiguren aus SF und Fantasy-Serien sind immer noch Buffy, Max aus Dark Angel und Starbuck auf BSG. In Dark Angel ging es auch um Klone, aber es war viel mehr SF und Action und Max war die einzige weibliche Hauptfigur.
Gerade wenn man heute wieder Buffy schaut und vergleicht, wie Teenager im Vergleich zu heutigen Serien dargestellt werden, merkt man, dass es auch mal anders ging.
Felix |
Natürlich gibt es in Orphan Black auch Liebesbeziehungen, aber die stehen nie im Vordergrund. Keine der Figuren lässt sich leicht als gut oder böse einordnen. Man fragt sich ständig, auf welcher Seite wer steht und der Hintergrund der Klone wird nur langsam enthüllt.
Sicher gibt es auch starke Frauenfiguren in GoT, Lost Girl oder Once upon a Time. Fast immer sind starke Frauen aber Cops, Soldatin, IT-Freaks oder Vampirjäger. Sarah ist keins davon (auch wenn sie zwischendurch so tut, als wäre sie ein Cop), sie ist einfach nur eine interessante Frau, die eine komplizierte Vergangenheit hat, vielleicht einige Fehler begangen hat, aber alles für ihre Tochter tun würde, die Lederjacke, Chucks und schwarzen Kajal trägt, intelligent und selbstbewusst und dennoch manchmal unsicher ist. Inhaltlich bietet Orphan Black nicht unbedingt etwas Neues, es ist die Umsetzung, die überzeugt mit tollen Schauspielern, Figuren und einer atemlosen Erzähltempo. Hier geht es außerdem auch mal recht blutig und freizügig zu, ich konnte kaum glauben, dass diese Serie nicht von BBC UK sondern America stammt.
Ich bin jedenfalls sehr gespannt, wohin die Reise der Klone noch gehen wird, und wenn Tatiana Maslany keine Preise bekommt, stimmt etwas nicht.
Derzeit läuft die erst Staffel auf zdf neo bei uns.
Keine Kommentare:
Kommentar veröffentlichen