Freitag, 26. Oktober 2012

Serienkritik: Skins

Skins ist schon lange Kult bei den Briten, bei uns ist es aber noch nicht angekommen, jedenfalls noch nicht im Fernsehen. Auf DVD gibt es die Serie mittlerweile sogar mit deutscher Fassung.
In Skins geht es um eine Gruppe von Jugendlichen, die auf die gleiche Schule gehen und schon seit ihrer Kindheit befreundet sind. Das besondere an der Serie ist, das Jugendliche einmal so gezeigt werden, wie sie wirklich sind. Zwar neigt die Serie, die mal dramatisch, mal witzig ist, vor allem in den Comedy-Szenen auch zu Übertreibungen, aber die Figuren bleiben stets glaubhaft und sie gewinnen im Verlauf der Serie immer mehr an Tiefe. Auch das Konzept der Serie ist etwas Besonderes. Es gibt jeweils zwei Staffeln mit denselben Figuren, danach sind sowohl die Figuren als auch die Schauspieler älter geworden und diese werden durch eine neue Generation von Jugendlichen ersetzt. In jeder Staffel erhält zudem jede Figur zwei Folgen, die sich auf sie fokussieren. So lernt man nach und nach alle Figuren genauer kennen.
In der ersten Staffel beginnt es mit Tony; schon die erste Einstellung, wie er in seinem Bett aufwacht, mit Bettwäsche, die einen nackten Mann und eine nackte Frau zeigt, ist genial. Tony hat eine Mission, sein bester Freund Sid wird sechzehn, und da muss er unbedingt seine Jungfräulichkeit verlieren. Es werden also alle seine Freunde angerufen, um Sid eine Partnerin zu besorgen.

Während Tony der gutaussehende und allseits beliebte Sunnyboy ist, der aber auch egoistisch und manipulativ sein kann, ist Sid das genaue Gegenteil. Klein, Brille, und nicht gerade beliebt bei den Mädchen. Aber Sid ist auch ein liebenswerter aufrichtiger Kerl und vor allem ein sehr guter Freund. Leider ist er schon lange in Tony Freundin Michelle verliebt. So ganz sind die beiden noch kein Paar, Tony will sich da nicht festlegen und nennt Michelle „Nips“, weil ihre Brustwarzen komisch aussehen.
Um Sids Jungfräulichkeit zu beseitigen wird sich schließlich auf Cassie geeinigt, die gerade aus der Klinik zurückgekommen ist. Denn Cassie isst nichts. Aber wirklich besiegt scheint sie ihre Magersucht nicht zu haben. Sie betäubt ihre Gefühle mit Pillen und scheint in ihrer eigenen Welt zu leben. Ein zerbrechliches Mädchen, mit blonden Locken und romantischen Kleidern, von dem keiner wirklich zu wissen scheint, was in ihr vorgeht. Cassie hat nichts gegen den Plan, sie mag Sid, aber daraus wird dann doch nichts. Außerdem ist Sid auf der Flucht vor einem Dealer, von dem er Gras auf Rechnung gekauft hat, ohne es bezahlen zu können.
Und dann gibt es da auch noch den völlig verplanten Chris, der ebenfalls ständig auf einem Trip ist. Chris erscheint am Anfang recht klischeebehaftet, ein Losertyp, der nur auf Partymachen aus ist, und von den anderen nicht ernst genommen wird. Doch auch Chris hat seine Geheimnisse, die nach und nach ans Licht kommen, und mit seiner Hilflosigkeit und seiner Unfähigkeit, etwas aus seinem Leben zu machen, ist Chris einer der Charaktere, deren Geschichte mich am meisten berührt hat.
Zur Clique gehört außerdem Jal, fast die einzige, die ein Hobby und ein Ziel im Leben zu haben scheint: sie spielt Klarinette und das ziemlich gut. Ihrem Vater, einem ehemaligen Hiphop-Star, interessiert das aber kaum. Der schwule Maxi und der Inder Anwar sind gute Freunde, Maxi träumt davon Tänzer zu werden und Anwar ist plötzlich der Ansicht, dass er aus religiösen Gründen nicht mehr mit Maxi befreundet sein kann.
Mit jeder einzelnen Folge hat man das Gefühl, die Figuren noch ein bisschen besser kennen zu lernen, ihre Beziehung zu ihren Eltern, die oft mit ihren eigenen Problemen so beschäftigt sind, dass sie ihre Kinder gar nicht wahrnehmen, ihre Verliebtheiten untereinander, ihre Geheimnisse und Sehnsüchte.
In der zweiten Staffel geht es dann noch einen Tick dramatischer zu. Es gibt immer wieder unvorhergesehene Wendungen, Entwicklungen, die man zu Beginn für unmöglich hielt, erscheinen nun folgerichtig. Es sind Charaktere, die man so schnell nicht vergisst und deren Geschichten einen noch lange begleiten. Ein Porträt einer Generation, die kein Ziel zu haben scheint, von den Eltern verlassen, aber dennoch guten Herzens. Der einzige Kritikpunkt ist, wohl auch der Grund für das ab 18, der unreflektierte und übermäßige Drogenkonsum der Kids. Es mag für einige Jugendliche normal sein, ständig Drogen zu nehmen, aber darin, wie sie sich alle angebotenen Pillen ohne nachzufragen einwerfen, erscheinen die Jugendlichen manchmal eher wie vierzehn und nicht wie sechzehn bis achtzehn. Auch wird der Drogenkonsum von keinem hinterfragt. Aber dass die Serie nicht vormachen will, wie Jugendliche sein sollten, wie man Probleme lösen sollte, darin liegt auch ihre Stärke und das macht sie so authentisch.
Nicht vergessen möchte ich, dass das Drehbuch so gut geschrieben ist, dass es kaum eine Szene gibt, die unpassend erscheint und das ist vor allem deshalb bemerkenswert, weil die Serie vom Drehbuchautor Bryan Elsley und seinem Sohn Jamie Brittain zusammen entwickelt wurde, der sich darüber beschwerte, dass Jugendliche im Fernsehen nie richtig dargestellt werden. Außerdem hat einer der Schauspieler, Daniel Kaluuya (der Hiphopper, der nur eine kleine Rolle hat) einige der Folgen geschrieben, einige meiner Lieblingsfolgen. Wenn jemand mit 18 schon so etwas zustande bringt, dann bin ich gespannt, was von ihm in Zukunft noch kommt.
Das Drehbuch hätte die Serie nicht retten können, wäre es nicht gelungen, so gute Schauspieler zu finden. Dass Nicholas Hoult ein großes Talent ist, weiß man nicht erst seit Skins, demnächst ist er im Blockbuster „Warm bodies“ als Zombie zu sehen. Alle Schauspieler, auch die Nebendarsteller sind gut, besonders aufgefallen sind mir Hannah Murray als Cassie und Joe Dempsy als Chris. Wenn man meint, dass ein Schauspieler wirklich so sein muss, wie den Charakter, den er spielt, dann stimmt das entweder oder der Schauspieler ist verdammt gut. Hier stimmt letzteres und Patrick Dempsy beschwerte sich in einem Interview, dass die Leistungen des Casts kaum gewürdigt wurden, weil angenommen würde, dass die Schauspieler von der Straße gecastet wurden und eben nur sich selbst spielten. Es wird jedoch schnell klar, dass das nicht so sein kann, denn sie spielen einmalige Charaktere und es gibt Momente, die ihnen sicherlich viel abverlangt haben. Wenn Chris völlig neben sich stehend bei seinem Vater zu Besuch ist, den er seit Jahren nicht gesehen hat etwa, oder wenn Cassie am Ende der zweiten Staffel alles hinter sich lässt, ein zutiefst zerrissener Charakter, von dem man ahnt, dass sie vielleicht niemals glücklich sein wird. In diesen Momenten hat man das Gefühl, gerade ganz große Schauspielkunst zu sehen.
Während Dampsy eine Rolle in Game of Thrones ergattern konnte, hat man Hannah Murray bisher kaum in anderen Rollen gesehen. Um so mehr freue ich mich, dass sie mit einer neuen Staffel Skins zurückkehren wird. Darin sollen nicht nur sie sondern auch Effie, Tonys Schwester, wieder auftauchen. Da Cassie meine Lieblingsfigur der Serie ist, bin ich gespannt, wie sie mit Anfang zwanzig ihren Weg weiter geht.
War da nicht noch was? Ach ja, es gibt weitere Staffeln, mit neuen Figuren, aber diese reichen leider bei weitem nicht an die ersten Staffeln Skins heran. Sie sind eher eine Parodie dessen, keine Spur mehr von klischeefreien Charakteren, von echten Problemen, stattdessen geht es nur noch um Partymachen, und die Charaktere gewinnen keine Tiefe. Staffel fünf und sechs sind zwar etwas besser als die dritte und vierte, es gibt mit dem Metallfan Rich und der geschlechtlich unentschlossenen Außenseiterin Franky interessante Ansätze. Die Drehbuchtoren haben es jedoch nicht geschafft, an die Intensität der ersten Generation heranzukomme, obwohl es eigentlich ein vielversprechender Ansatz ist, ein junges Autorenteam zusammenzustellen, das nah an den Jugendlichen dran ist, ein wenig mehr Erfahrung hätte den Autoren jedoch auch ganz gut getan.
Daher würde ich die erste und die zweite Staffel anschauen und dann gespannt auf die siebte Staffel warten. Denn diese beiden Staffeln gehören zu dem besten, was je an Fernsehen produziert wurde.

Der Trailer zeigt nur die eine Seite von Skins, die lustige und Partyseite, ernste Momente überwiegen jedoch insgesamt, daher sollte man sich von dem Trailer nicht täuschen lassen.


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