Dienstag, 18. August 2015

Taxi - Film Rezension



Am Sonntag war ich bei der Premierenvorführung von Taxi mit Peter Dinklage, die Autorin Karen Duve und Regisseurin Kerstin Ahlrichs waren zu Gast und haben von den Dreharbeiten erzählt.
Ich habe das Buch zum Film von Karen Duve noch nicht gelesen, und konnte mir nach der Beschreibung nicht ganz vorstellen, wie es als Film funktioniert. So hat es auch einige Jahre gedauert, bis der Film überhaupt zustande kam. Mehrere Versuche mit anderen Regisseuren und Drehbüchern scheiterten zuvor und auch als Regisseurin Kerstin Ahlrichs sich des Stoffes annahm dauerte es noch sechs Jahre, bis der Film finanziert war, was aber nicht unbedingt ungewöhnlich ist.

Alex entspricht dem Wunsch ihrer Familie und fängt eine Ausbildung zur Versicherungskauffrau an, aber bald merkt sie, das ist nichts für sie, genausowenig wie Studieren. Sie wird Taxifahrerin. Sehr zum Missfallen ihrer Familie, und zum Unverständnis ihrer Freunde. Wird sie gefragt, was sie denn studiere, sagt sie: Taxifahren. Sie fängt in einem kleinen Betrieb an, der immer kurz vor der Pleite steht.  Gegen die Warnung des Chefs, fährt sie Nachtschichten, sie weiß, dass sie sich auch gegen betrunkene und aufdringliche Fahrgäste durchsetzen kann. Man begleitete Alex auf ihren Fahrten, nachts durch Hamburg, durch die Schnaze, durch den alten Elbtunnel, wie sie auf dem Großneumarkt steht und auf Kunden wartet. Die anderen, männlichen Taxifahrerer nehmen sie gleich in Beschlag, alle bis auf den sexistischen Rüdiger, verlieben sich in Alex. Sie beginnt eine Beziehung mit Dietrich (Stipe Erceg), einem Künstler, aber so richtig scheinen sie nicht füreinander geschaffen.
Und dann begegnet sie Marc (Peter Dinklage), den sie von früher kennt. Er scheint sie als einziger zu verstehen, ohne ihr vorzuschreiben, was sie zu tun hat, fordert er sie heraus, ihre raue Schale aufzubrechen. Marc lädt Alex zu sich ein, sie schlafen miteinander. Alex macht schnell klar, dass sie nicht mehr will. "Geht das nicht auch ohne Getränk", sagt sie schroff. Sie ist nicht immer sympathisch, eine Frauenfigur, die man so selten im Film sieht. Auf Beziehungen hat sie eigentlich gar keine Lust, Nähe kann sie schwer zulassen. Sie nimmt sich, was sie will. Eine der berührendsten Szenen ist, wie sie einem Alkoholiker in seiner messihaften Wohnung das einzige nimmt, was er von Wert hat, seine Platten. Wer nicht zahlen kann, der wird halt gepfändet. Auch zu Marc ist sie unerbittlich. Nur für Tiere scheint sie ein Herz zu haben, sie interessiert sich für Primaten und rettet einen gequälten Zirkusaffen, den ein Fahrgast in ihr Taxi bringt. Wohl die aufwändigste und gefährlichste Szene im Film, wie Alex einen Unfall hat, und endlich den vom Chef so lange ersehnten, weil von der Versicherung gedeckten Totalschaden einfährt.
Wie sich die Beziehung zwischen Alex und Marc entwickelt, ist glaubhaft inszeniert, der Größenunterschied zwischen ihnen spielt kaum eine Rolle, ihre Persönlichkeiten stehen immer im Vordergrund. Auch wenn es zu einem kurzen SM-Machtspiel zwischen ihnen kommt. "Du hast keine Ahnung, wie mutig ich sein muss", sagt Marc. Es war angenehm, dass die Sexszenen ausgeblendet wurden, sie hätten nichts zum Plot beigetragen.
Der Film ist allerdings nicht ohne Schwächen, so Reihen sich die Fahrten mit verschiedenen Fahrgästen oder allein etwas episodenhaft und repetitiv aneinander. Es wird dem Zuschauer nicht ganz leicht gemacht, hinter Alex' Fassade zu schauen, etwas mehr Nähe zu den Figuren hätte nicht geschadet, das hätte sie noch realistischer machen können und dem Film mehr Tiefe verliehen, der so etwas oberflächlich bleibt.
Bild 02_TAXI_© 2014 by Georges Pauly und B&T Film GmbH

Da Karen Duve selbst dreizehn Jahre Taxi gefahren ist, weiß sie, wovon sie schreibt. Sie wollte die coolen 80er zeigen, die Punkszene und keine Schulterpolster, leider wurde wenig darauf geachtet, die Szenerien an die 80er anzupassen, ich bin 86 geboren und kann mich natürlich nicht an das Hamburg der 80er erinnern, meine Begleiter erkannten aber einige Marken und Gebäude, die es damals noch nicht gab. Da fragt man sich, ob das eine bewusste Entscheidung war, oder ob nach dem Honorar für Peter Dinklage das Geld ausging. Als er gecastet wurde, war er noch kein Weltstar, aber er spielt immer gerne außergewöhnliche Rollen. Eine Alternative gab es für die Rolle nicht, er ist anscheinend der einzige gewesen, der der Persönlichkeit seiner Figur gerecht wurde und der einsachtzig großen Rosalie Thomass ebenbürtig entgegentrat. Man müsse ihm die erotische Anziehung abnehmen, die er ausstrahlen soll, sagte Karen Duve bei der Premiere. So eine Rolle hat man wirklich noch nicht gesehen, Peter Dinklage spielt einen gutverdienenden Psychologieprofessor, ein selbstbewussten Mann, der dennoch verletzlich ist in seiner Liebe zu Alex. Manchmal wünscht man sich allerdings, er wäre nicht synchronisiert worden, die Stimme macht schließlich einen großen Teil des Schauspiels aus. Dass der Fokus auf die Liebesgeschichte gelegt wurde, war Karen Duves eigene Entscheidung, sie hat das Drehbuch selbst geschrieben, ein Roman ist ja immer umfangreicher, als es ein Film sein kann, der einer anderen Dramaturgie folgt. So wurden einige Figuren aus dem Buch weggelassen.

Auch Robert Stadlober ist genial besetzt, als pickliger Möchtegern-Intellektueller Rüdiger, der offenbar in Alex' Freund Dietrich vernarrt ist, mit der Hornbrille und dem Outfit, erkennt man ihn kaum wieder.
Was den Film besonders macht, sind nicht nur die außergewöhnlichen Figuren, die guten Schauspieler und die Bilder von Hamburg, die man wiedererkennt, beeindruckend ist auch der Soundtrack von Michel Van Dyke. Ich hatte die ganze Zeit das Gefühl, ich müsste die Songs aus den Achtzigern wiedererkennen. Sie klingen genau wie die besten 80er deutschen Punkbands, wie auf den alten Kassetten meines Vaters. Definitiv einen Kauf wert.

Karen Duve kündigte übrigens einen Science Fiction Roman an, der sich an ihr Sachbuch anlehnt, für den es allerdings noch keinen Titel gibt, man darf gespannt sein.



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