Donnerstag, 23. Juli 2015

The 100 Serienkritik

Die Serie The 100 läuft gerade im deutschen Fernsehen, aber auf Englisch ist die DVD schon erschienen, da ich ja immer lieber im Original gucke, musste das natürlich sein.
Ich bin schon seit einer Weile Fan der Serie. Als ich angefangen habe sie zu sehen, hatte ich keine großen Erwartungen. Die Prämisse, dass nach einem Atomkrieg, der die Erde unbewohnbar gemacht hat, 100 Teenager von einer Raumstation aus zurück auf die Erde geschickt werden, klang nach Teenidrama und nach den bekannten Dystopien. Die ersten Folgen spielen noch auf dem Raumschiff, auf dem strenge Regeln herrschen. Nur das kleinste Vergehen wird mit dem Tod bestraft. Es gibt nicht mehr genug zu Essen für alle, die Menschen lehnen sich gegen die Regierung auf, die aus einem gewählten Rat besteht, aber eher einer Diktatur gleicht. Also werden 100 Teenager aus dem Gefängnis der Raumstation heraus auf die Erde geschickt, um zu gucken, ob sie bewohnbar ist. Tatsächlich habe ich bei den ersten Folgen öfter die Augen verdreht. Die sind gerade mitten in der Wildins, das erste Mal in ihrem Leben auf der Erde, müssen allein zurecht kommen, aber das Make-up der Mädels sitzt perfekt? Und wieso haben die auf der Raumstation genug Platz für Nagellack für 100 Jahre, aber nicht für Essen? Das sind Sachen, die man in fast jeder Serie oder Film sieht und mich immer extrem ärgern, weil ich das nicht ernst nehmen kann. Aber zum Glück legte sich das mit der Zeit, und das Make-up wurde weniger und Eliza Taylor (Clarke) hat einfach von Natur aus solche Wimpern.
Als die Jugendlichen, von denen einige schon auf der Raumstation schwerere Verbrechen begangen haben, nun allein sind, entwickelt sich ein "Herr der Fliegen"-Plot. Einige wollen Anarchie, während die Hauptfigur, Clark für Regeln eintritt. Pikant ist, dass Clarkes Vater vom Regierungschef Jaha getötet wurde, ihr Mutter aber ebenfalls im Rat war. Clark ist eine junge Frau, die ein wenig verwöhnt wurde, aber auch schon viel Tragisches erlebt hat. Zu Beginn wirkten viele der Figuren ein wenig klischeehaft. Der fiese Murphy, der der die anderen hintergeht, die freche Octavia, die sich ihre Leben lang verstecken musste, weil auf dem Raumschiff nur ein Kind pro Paar gestattet war und sie als zweites Kind geboren wurde. Ihre Entwicklung von der kleinen Schwester zur Kriegerin war mit am spannendsten. Dritte Hauptfigur ist Bellamy, der seine Schwester beschützen will, und sich Clarke in den Weg stellt, aber immer mehr zum Helden wird.
Zum Glück entwickelt sich die Serie schnell vom "Herr der Fliegen"-Plot weg. Es ist schwer mehr darüber zu sagen, ohne zu spoilern, also ab hier nicht weiterlesen, wenn ihr keine Spoiler wollt.

Denn es stellt sich schnell heraus, dass die 100 Teens gar nicht allein auf der Erde sind. Es gibt Überlebende, die sie "Grounders" nennen, sie haben sich in einer Art Stammeskultur organisiert, wie Urmenschen kleiden sie sich in Felle und benutzen Speere als Waffen. Und sie sind den 100 einiges voraus, was das Überleben angeht. Die Grounders sind den Menschen aus der Raumstation nicht gerade freundlich gesinnt und so müssen die Teens sich ganz schnell organisieren um eine Chance im Krieg zu haben, der durch Missverständnisse entsteht. Dabei und auch später müssen Clarke und Bellamy immer wieder moralisch sehr schwierige Probleme bewältigen, sie müssen Entscheidungen fällen, die sie in den Augen der Zuschauer nicht immer sympathisch erscheinen lassen. Das war für mich auch das Interessante an der Serie. Der Zuschauer bekommt durchaus die Ambiguität der Situation verdeutlicht. Die Kriegshandlungen werden nicht verherrlicht, man kann andere Meinungen vertreten als die Figuren. Es wird klar, dass alles vom Standpunkt abhängt. So lernt man auch einen der Grounder näher kennen, und merkt, es sind genauso normale Menschen, und keine Monster. Eigentlich sind die 100 diejenigen, die in ihr Territorium eindringen und den Krieg auslösen.

Dass die Serie ab 18 ist, hat seine Berechtigung, besonders später gibt es einige sehr brutale Szenen. Daher war es auch gut, dass das Teeniedrama nicht so lange anhält, denn für jüngere Jugendliche ist die Serie nicht geeignet. Auch für ältere Zuschauer gibt es jedoch Identifikationsfiguren. Clarkes Mutter war für mich auch eine der interessantesten. Sie muss sich immer wieder dem sturen Jaha und dem zweiten Regierungschef entgegen stellen.
Alle Figuren machen im Laufe der Handlung eine enorme Entwicklung durch, viele werden zum Gegenteil ihrer anfänglichen Persönlichkeit. Das war eine spannende Idee, die meistens glaubwürdig umgesetzt wurde. Nur bei Finn und Clarke habe ich die Entwicklung manchmal nicht ganz nachvollziehen können.
Die Serie ist außerdem sehr spannend, mit vielen überraschenden Wendungen, viel Action, aufwändig produziert, und visuell ansprechend. Wenn man über das manchmal lächerliche Make-up hinwegsieht, und darüber, dass alle Schauspieler natürlich bestens aussehen. Da hätten sie mit ein bisschen mehr Mut im Casting für ein authentischeres Gefühl sorgen können. Alle jungen Schauspieler, die vorher eher unbekannt waren, spielen gut, aber nicht herausragend. Da sticht vor allem Isaiah Washington als Jaha positiv hervor.
Es lohnt sich bei der Serie dran zu bleiben, da sie sich immer mehr steigert. Auch in der zweiten Staffel gibt es einige Überraschungen. Da eine Buchreihe von Kass Morgan als Vorlage diente, kann man da schon weiterlesen, wenn man nicht so lange warten will. Aber da gibt es wohl einige Abweichungen in der Handlung.
Die erwähnten moralischen Fragen heben die Serie über das Niveau von anderen mit ähnlichem Setting. Es wird immer mehr deutlich, dass es einen Bogen in der Handlung gibt, der über dem Plot steht. Die Erde wurde im dritten Weltkrieg mit Atombomben zerstört, jetzt ist das erste, was die Menschen tun, als sie die Erde wieder betreten, einen neuen Krieg anzufangen. Man fragt sich schon, ob sie gar nichts gelernt haben in ihrer Raumstation. Die Serie zeigt, wie im Krieg alle Täter und Opfer sind, wie er aus den Teens teils traumatisierte, teils starke Menschen macht, die Entscheidungen treffen müssen, denen sie niemals gerecht werden können. Ob sie dabei zu Helden oder Monstern werden, muss der Zuschauer selbst entscheiden.

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