Samstag, 26. September 2015

Reeperbahn Festival Bericht #1

c Lisa Meinen

Das Festival läuft heute den letzten Tag, nach zwei Tagen voller Konzerte könnte es so ruhig noch eine Woche weiter gehen. Am Donnerstag Nachmittag begegnete mir bereits die eine oder andere Band in der Stadt, auf dem Weg zum Sightseeing oder zur Probe. Leider habe ich keine direkt erkannt, aber beim eher schlichten Style der Hamburger fallen junge Männer in Lederjacke und Gitarrenkoffer oder Frauen mit Sonnenbrille, überlangem Mantel und wilder Frisur einfach auf. Eigentlich wollte ich mir direkt etwas beim Festival ansehen, aber das fiel offenbar aus, so dass ich einfach mal die frühen Besucher beobachtete, die meisten waren wohl schon zur Konferenz da, die gleichzeitig stattfand. Sowas gibt es wohl nur auf diesem Festival, dass wichtig aussende Leute mit einem Namensschild um den Hals mitten in der Stadt eine Musikkonferenz besuchen. Da ich noch nicht völlig über meine Erkältung hinweg war, beschloss ich dann, mich noch etwas zu erholen, um mir dann abends ausgeruht alles angucken zu können.



Zuerst begab ich mich in den Knust, zu den Great Lake Swimmers. Eine Band die mir zwar vom Namen her bekannt war, von der ich aber noch nicht oft Musik gehört hatte. Sie stammen aus Kanada und machen eine Mischung aus Folk und Country. Mit einer Geigerin, einem akustischen Bass und wenn ich es richtig erkannt habe, Banjo, erzeugten sie einen fröhlichen Sound, der das im Schnitt etwas ältere Publikum gut mitgehen ließ. Ihre Fans in Deutschland scheint die Band auf jeden Fall zu haben. Mir war die Musik dann doch etwas zu  Country-lastig und seicht. Also beschloss ich dann, doch noch schnell ins Übel und Gefährlich herüber zu gehen, um noch Soley anzusehen. Die Isländerin beeindruckte ein großes Publikum mit ihrem verträumten Elektropop. Sie erzählte gerade, dass sie ja wirklich so wahnsinnig glücklich sei, hier zu spielen, sie würde ja gerne nach Hamburg ziehen. Nur ihren Mann müsste sie noch überzeugen. Offenbar hat sie sich noch nicht ganz ans Verheiratet sein gewöhnt. "Husband", das klinge so, als wäre man schon 40. Nicht dass mit 40 etwas schlecht wäre, fügte sie schnell hinzu. Ich bin mir sicher, Hamburg würde sie gerne aufnehmen. Dann wird man sie hier sicher auch häufiger spielen sehen. Sie stand mit einer kleinen Band auf der Bühne, ihre Pony-Dutt-Frisur und die große Brille mit Metallrahmen lassen sie wie die typische skandinavische Sängerin aussehen, die haben es einfach drauf, immer lässig zu wirken. Ihre Sound passte auch gut zur Atmosphäre des Clubs, der sich im vierten Stock eines Bunkers befindet. Da muss man beim Reinkommen erst mal auf den Fahrstuhl warten. Da empfing mich dann ein Liftboy, der mit einer Box, aus der Ska dröhnte und einem Buch in der Hand wohl einen ganz angenehmen Job hatte. Ich kam mir kurzzeitig vor wie in einem Wes Anderson-Film.



Dann hatte ich eine kleine Pause in meinem Plan und entschied mich spontan, mir kurz Eva and Manu anzugucken. Die Band besteht aus einem Paar, das auch noch einige weitere Musiker dabei hatte. Der Franzose und die Finnin lernten sich am Musikcollege in Boston kennen, reisten dann ein wenig durch Frankreich und nahmen ein Album auf, und landeten prompt bei einem Major Label. Im Vorfeld hatte mir ihre Musik sehr gut gefallen. Obwohl recht Elektro lastig, was mir ja sonst nicht unbedingt gefällt, aber Evas Gesang legt da immer eine Melodie drüber, und erzeugt einen warmen gefühlvollen Sound. Das Konzert fand im Angie`s Nightclub statt, einem Club, in dem ich vorher noch nie war. Mit seinen kleinen goldenen Sitzecken und den Säulen ist er bestimmt ganz schick zum feiern, aber für Konzerte für meinen Geschmack nicht so gut geeignet. Es fiel der Band anfangs schwer, im ganzen Raum die Aufmerksamkeit auf sich zu ziehen. So kam bei mir nicht recht Konzertstimmung auf, auch empfand ich den Vortrag als etwas zu bemüht vorgebracht und der Gesang wirkte nochmal etwas kitschiger als auf dem Album. Aber wer so gefühlvollen Pop mag, der wird seinen Gefallen an der Band finden. In den youtube-Videos gefallen mir ihre Auftritte auch deutlich besser, also lag es vielleicht wirklich an der Stimmung.



Dann hatte ich mir noch Lukas Graham vorgenommen. Mir war nicht bewusst, wie bekannt der Kopenhagener hier bereits ist. So kam ich gerade noch so ins Docks rein. Graham hatte eine ganze Bigband dabei, das Publikum war völlig aus dem Häuschen, viele wohl extra wegen ihm gekommen. Das ist schon ein Phänomen, das man gesehen haben muss. Ein junger Mann, der aussieht wie 15, klein und kinnlange braune Locken, mit einem Cappie auf dem Kopf und einer Jogginghose an, kommt auf die Bühne und wird gefeiert wie ein Weltstar. Man könnte ihn für den prolligen Gewinner einer Castingshow halten. Aber der Eindruck täuscht komplett. Lukas Graham hat eine Wahnsinnsstimme. Es gibt wahrlich nicht viele solcher Stars aus Dänemark. Kein Wunder, dass er so erfolgreich ist. Und er versteht es, die Fans zu unterhalten. Zu Beginn wurde erzählt, dass er sich schon mal so verausgabt, dass er auf der Bühne umkippt. Das wollte man nun nicht hoffen. So wie er über die Bühne lief und sprang konnte man es sich aber vorstellen. Er erzählte auch, dass er den Song den er über den Tod seines Vaters geschrieben hatte vor drei Jahren das erste Mal direkt auf dem Festival spielte, zwei Tage nachdem der Vater starb. Das sei das härteste und das beste gewesen, was er je getan hätte. Denn danach bekam er einen Plattenvertrag. So persönlich sind viele seiner Songs. In Don`t worry about me, sagt er seinen Freunden, dass er zwar manchmal immer noch traurig wäre, aber Sorgen müssten sie sich deshalb keine machen. So eine fröhliche Grundhaltung ist ansteckend, insgesamt ist mir seine Musik aber zu Mainstreamorientiert und seine Mickey-Mouse Stimme doch etwas anstrengend. Ich weiß nicht, ob es am Sound lag, denn bei anderen Mitschnitten wirkt seine Stimme tiefer. Auf jeden Fall war es wohl ein wunderbares Konzert für seine Fans.




Bei so einem Festival, wo so viele Bands gleichzeitig und immer nur eine Stunde lang spielen, da muss man sich irgendwie vom Gefühl frei machen, immer etwas zu verpassen. So ging es dann weiter in die St. Pauli-Kirche zu Seafret. Die Band war bei der Vorsichtung sehr positiv ausgefallen. Allerdings hatte ich sie mehr als Folkband eingestuft. Tatsächlich lieferte sie eine Bandbreite von Folk bis Rock. Auffällig dass sie dabei eine akustische Gitarre verwendeten, die von einem recht guten Gitarristen auch zu den rockigeren Songs eingesetzt wurde. Die Stimmung in der Kirche war bereits sehr begeistert. Zunächst wirkte der Sänger mit dem wilden Lockenkopf nicht immer tonsicher, ein wenig schüchtern, bei den rockigeren Songs blühte er allerdings auf. Er war sichtlich gerührt darüber, wie gut die Band ankam, da wollte man ihm fast sagen, dass er nicht so bescheiden zu sein braucht. Schließlich mussten sie sogar eine Zugabe geben, nur der Sänger und Gitarrist spielten dann eine wunderbare Coverversion von Hoziers Angel Of Small Death & The Codeine Scene, bei der er noch einmal all sein Können präsentierte. Der Band wünscht man jeden Erfolg, denn sie waren nicht nur sehr sympathisch, sie verdienen ihn auch.



Zum Schluss ging es dann in den Nochtspeicher, wo L'aupaire ein recht junges Publikum vor sich hatte. Es gibt wirklich wenige deutsche Sänger, die englisch singen und international mithalten können, L'aupaire ist einer davon, und er ist gerade dabei, sich einen Namen zu machen. Mit einer Stimme, die ein wenig an den Sänger der Kooks erinnert, und chartstauglichen Songs hat er da gute Chancen. Mit Rollercoaster Girl oder I would do it all again knüpft er an die Erfolge des Brit-Pop an. Da kamen länger keine größeren Überraschungen mehr von der Insel, vielleicht ist es an der Zeit, das Genre auch hier zu entdecken. Zugegeben hat der Bonner nicht gerade die intellektuellsten Texte vorzuweisen, dafür kann man schnell mitsingen. Obwohl die Band sich wirklich Mühe gab, schien sie aber nicht das ganze Publikum zu erreichen. Vielleicht lag es an der fortgeschrittenen Stunde, aber ich finde auch, dass der Nochtspeicher keine gute Akustik für rockigere Konzerte hat, es war ähnlich bei Lucy Rose am Freitag. Die Bühne ist sehr niedrig, es gibt Säulen in der Mitte und wenn an der Bar ein Glas klirrt, übertönt es die Musik im ganzen Raum. Da gucke ich mir da doch lieber Lesungen oder ruhigere Konzerte mit Sitzgelegenheit an. L'aupaire konnte dafür wirklich nichts und so werde ich ihn mir gerne noch einmal woanders ansehen. Insgesamt fing der Tag etwas verhalten an, hatte dann mit Seafreat aber noch eine echte positive Überraschung zu bieten.

2 Kommentare:

  1. feine auswahl und schöne berichte!

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    1. Danke! War wirklich ein schönes Festival. Da schreibe ich doch gleich noch schnell den dritten Bericht vom Samstag.

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