Montag, 28. September 2015

Reeperbahn Festival Bericht #3

William Fitzsimmons / c Florian Trykowski


Am Samstag nahm ich mir vor, mir auch einmal das Kunstprogramm des Festivals anzusehen. Die Führung zu den Galerien der Neustadt habe ich dann aber leider verpasst. Schade, dass die nicht häufiger angeboten wurden. Bei Feinkunst Krüger bin ich sowieso ständig, also ging es dann in die Reeperbahn 116. Dort gab es über das Festival mehrere Ausstellungen. Ich weiß nicht, was sonst in dem Haus ist, es wirkte perfekt für eine Groß-WG. In vielen kleinen Räumen gab es kleine Bilder und Fotos. Ohne Führung konnte ich mit dem meisten allerdings wenig anfangen. Spannend war das Projekt bei dem die Besucher ihre Meinung zu den Ausstellungen in schwarze Telefonhörer einsprechen konnten und diese Kommentare dann in einem Raum wieder abgespielt wurden. Das ganze war ein Projekt eines Künstlerkollektivs, die das per Crowdfunding finanziert bekommen haben. Schöne Idee, tolle Leistung. Daneben gab es noch eine Ausstellung mit Bildern und kurzen Interviews der Bewohner der Reeperbahn 157 Hochhäuser. Dort kam vor zwei Jahren heraus, dass die Wohnungen Asbest versucht sind, worüber die Bewohner nicht gleich informiert wurden. Man konnte dort etwas über die interessanten Persönlichkeiten erfahren, die noch im Hochhaus leben, wie sie mit dem Skandal umgegangen sind und warum sie dort nicht weg wollen. Eine interessant Ausstellung, die aber offenbar bereits vor zwei Jahren entstand. Die Ausstellung im Museum für Kunst und Gewerbe mit Rockpostern hatte ich mir vorher schon angesehen. Davon hatte ich mir etwas mehr erwartet, der Ausstellungsraum war doch recht klein.

Nun aber zum Musikprogramm des Tages, das mein persönliches Highlight enthält. Es begann mit Joco, nein, nicht Joko und Klaas, sondern die Schwestern Josepha und Cosima. Die beiden kommen aus Hamburg und haben den Hamburger Popkurs absolviert, der schon viele Stars hervorgebracht hat. Man denkt da schnell an Boy. Joco machen ebenfalls Indiepop, lieblich und unaufdringlich. Manchmal etwas zu seicht. Aber Selbstbewusstsein haben die beiden. Sie nahmen ihr Album in den Abbey Road Studios auf, schickten es an Sony und wurden prompt genommen. Jetzt habe ihr Produzent Paul McCartney ihr Album gegeben, erzählten sie stolz. Für Bescheidenheit sind die beiden offenbar nicht zu haben, aber warum auch? Hat ja alles geklappt. Sogar von einem Kieferbruch erholte sich Cosima. Danach ging es dann endlich auf Tour, man hört schon wirklich überall etwas von den Beiden. Da merkt man dann, was ein Major Label ausmacht. Aber sie können natürlich auch was. Mein Favorit ist Why didn't I see.



Auf dem Weg zum Michel hatte ich etwas Zeit und kam zufällig am N-Joy-Bus vorbei, wo gerade Dotan ihren Hit Home preisgaben. Draußen, vor einem versammelten Publikum. Ich liebe den Song, er hat einen Refrain, der sich einem sofort einprägt, ein bisschen zu gut. Kurz überlegte ich, mir nachher die Band auch im Docks anzusehen, aber verwarf dies zugunsten der anderen Bands. Home blieb mir auch so den ganzen Tag im Kopf.

Dann ging es zu Luke Sital-Singh, auf den ich mich am meisten gefreut hatte. Luke im Michel, das musste großartig werden und es wurde großartig. Holymoly, insane venue, twitterte er noch vorher. Ja, der Michel kann einen wohl schon beeindrucken, ist ja auch das Wahrzeichen Hamburgs. So ganz allein mit einem Mirko und Gitarre in so einem Raum, da kann einem Sänger wohl schon mal etwas bang werden. Luke konnte kaum fassen, wie gut die Akustik war, ernsthaft, ihr hört mich wahrscheinlich noch Minuten später da hinten, sagte er zwischendurch. Jeder sollte in seinem Leben einmal hier singen. Das Publikum zeigte sich auch ganz leise und so konnte man dann andächtig Lukes Stimme und Gitarre lauschen, wie er neue und ältere Songs spielte. Live gefallen mir seine Stücke oft viel besser, als auf dem etwas überproduzierten letzten Album. Er hat gerade bei einem großen Label gekündigt und macht wieder alles selbst. Das steht ihm gut. Wenn man fröhliche Songs erwarte, sei man hier falsch, und ja, der nächste Song wäre auch auch wieder traurig, sagte er. Dabei braucht er sich doch dafür nicht zu entschuldigen. Wir sind wegen der traurigen Songs da, Luke. Die traurigen Songs berühren uns und in den traurigen Songs findet man Tiefe. Bottled up tight klingt so akustisch auch noch einmal ganz anders, wenn Luke beweist, dass er absolut tonsicher in so einer Location singen kann. Da findet man den Grund, warum man Musik so liebt, Schönheit, Ehrlichkeit, Gefühle, tiefsinnige Texte, die von einem intelligenten Künstler geschrieben wurden. Mein Highlight des gesamten Festivals, aber das nächste Mal bitte keine Entschuldigung dafür.


(jetzt mal nicht zum zehnten Mal das Video aus der Kirche beim Haldern 2013, sondern das neueste Video der neuen EP)

Anschließend strömten dann die Mengen in den Michel, um William Fitzsimmons zu sehen. Ich beschloss allerdings, dass ich mir zwischendurch unbedingt noch Hein Cooper angucken musste. Der Newcomer spielte im Schulmuseum. Das sagte mir gar nichts, und entpuppte sich als kleine Aula, mit wenigen Sitzplätzen. Hein Cooper, gerade 19 stammt aus England und hat gerade seine erste EP veröffentlicht, ich hatte ihn hier schon kurz vorgestellt. Mit einer hellen Stimme und melancholischem Ton genau mein Fall. Ganz ohne Mikro stand Hein dann vor dem Publikum, für ihn das erste Mal in Hamburg und auch das erste Mal ohne Mikro. Von Lampenfieber war aber nichts zu merken. In schwarzer Hose und Hemd, mit den blonden Haaren in der Stirn spielte er seine Songs. Im kleinen Raum auch so wunderbar zu hören. Nicht viele Sänger klingen so gut ohne Verstärkung. Bei seiner kurzen Performance gab es noch ein Cover von Radioheads Creep, mir gefielen seine eigenen Songs aber besser, besonders The Art of Escape, das er zum Schluss spielte. Ein sehr sympathischer talentierte junger Mann, von dem man hoffentlich noch mehr hören wird.




Dann lief ich schnell zurück zum Michel, da braucht man leider schon zehn Minuten. Doch es war schon voll und es wurden nur noch einzelne Besucher eingelassen. Man wolle die ruhige Atmosphäre nicht stören, sagte der Türsteher. Was ich auch absolut gut finde, es stört doch extrem, wenn bei einem Konzert ständig Leute rein und rausgehen. Es kamen einige Gäste raus, man wolle noch woanders hin. Wäre es langweilig, fragten andere Wartende. Das nicht, eben nur ruhig. Ja, das erwartet man doch auch bei einem Songwriter. Ein kleines Problem so eines Festivals, Leute gehen irgendwohin, haben keine Ahnung, und reden dann die ganze Zeit, und stören die, die wirklich etwas hören wollen. Dann durfte ich schließlich doch noch rein, beim Treppensteigen sollte man aufpassen, die Dielen knarzen, und die Jungs doch bitte ihre Hüte abnehmen, es wäre ja immer noch eine Kirche, meinte der lustige Türsteher. Die Kollegin hörte ich noch sagen, haha, das mit den Hüten war gut. Aber es wurde drauf gehört und im Saal war es bis auf Fitzsimmons Musik absolut still. Er ist wohl einer der bekannteren im Genre. Mit dem schwarzen Vollbart würde man eher eine rauhe Stimme erwarten, aber sein Gesang ist fein und gefühlvoll. Auch er mahnte, dass er nur traurige Songs spielen würde. Da wollte ich schon langsam aufschreien, dass man das ja auch bitte erwartet, wenn man einem Musiker hingeht, der nun mal traurige Songs schreibt. Viel Zeit blieb allerdings nicht, da ich noch weiter wollte.



Vor dem Mojo Club hatte sich bereits eine Schlange gebildet, es hieß warten auf Andreya Triana. Zum Glück nur irgendein Problem, der Club war noch nicht voll. Aber er füllte sich bis zum Konzert dann komplett. Da es ganze zwanzig Minuten später anfing, hieß es dann erst mal weiter warten im Mojo Club. Er liegt unter den tanzenden Türmen am Anfang der Reeperbahn, und ist wie eine Kirche aufgebaut, mit rundem Raum und Rang. Mein persönlicher Lieblingsclub für Konzerte, weil der Sound einfach fantastisch ist, wenn auch natürlich nicht so wie im Michel. Dafür herrschte hier kuschelige Konzertstimmung. Endlich kam dann die Band und auch die Sängerin auf die Bühne. Mit ihrer rauen Soulstimme begeisterte sie das Publikum sofort. Die Londonerin war bisher durch Kollaborationen mit DJs bekannt (Bonobo), und hat 2010 bereits ihr erstes Album veröffentlicht, nun hat sie mit dem zweiten großen Erfolg. Auf der Bühne war die Sängerin nicht immer ganz tonsicher, manchmal kamen die Melodien doch etwas schrill heraus, aber es wurde immer besser, und gerade bei den ruhigeren Songs konnte sie überzeugen. Bald zog sie sich die Leopardenprint-Highheels aus und sprang barfuß übe die Bühne. Von Anfang an ging das Publikum mit, tanzte und sang zum Schluss auch kompliziertere "yeahs" mit. Die Stimmung war absolut begeistert, so musste eine Zugabe her. Mit Sympathie und ansteckender guter Laune hatte Andreya alle für sich eingenommen. Ein wunderbarer Abschluss für das schöne Festival.


Insgesamt war das Festival großartig mit so vielen tollen Bands, bekannten und neuen, die man entdecken konnte. Ein wenig schade ist es immer, dass die Bands nur kurz spielen, bis auf Fitzsimmons und Lukas Graham, die länger spielen durften. Aber es ist eben ein Festival bei dem es darum geht, Bands zu entdecken. Wenn ihr auch da wart, sagt mir gerne, was eure Highlights waren. Denn so viele Bands habe ich leider verpasst, weil man sich einfach nicht alles ansehen kann. Alex Vargas, Joris, Madjo, Mirel Wagner, Shane Alexander, Abby, The Beach, Palace, Balthazar, Lady Lamb, Emilie Nicolas, Aosoon und Oddissee hätte ich auch alle gerne gesehen. Vielleicht ja nächstes Mal, denn der eine oder ander Musiker kommt doch gerne wieder.

3 Kommentare:

  1. Hey!
    Richtig coole Berichte zum Reeperbahn Festival! Auch sonst finde ich deinen Blog ziemlich cool, du hast, in meinen Augen, auf jeden Fall einen ziemlich guten Musikgeschmack :)! Ich war ebenfalls beim letzten Reeperbahn Festival (allerdings nur am Samstag) und habe mir zwar andere Künstler angesehen, aber einige von denen, die du gesehen hast, standen auch mit zur engeren Auswahl. Besonders "beneide" ich dich darum, dass du Seafret sehen konntest! Die hätte ich so gerne gesehen, aber leider haben sie ja bereits am Donnerstag gespielt und das ging somit ja nicht. Mein persönliches Highlight war definitiv Rhodes, ein Brite, der sehr atmospährischen Alternative-Pop macht. Wirklich tolle Musik, die dir vielleicht auch gefallen könnte :).
    Wenn du Lust hast, kannst du gerne auch auf meinem Blog mal vorbeischauen, würde mich auf jeden Fall freuen :)
    Ganz liebe Grüße, Finja

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    1. Hallo Finja,
      dein Kommentar hat mich sehr gefreut. Ich habe den Blog etwas vernachlässigt, daher habe ich ihn leider jetzt erst freigeschaltet. Ja das Reeperbahn Festival war wirklich toll. Ich hoffe, ich kann diese Jahr wieder hin. Rhodes hat ja viele Fans, so hundertprozent ist es irgtendwie nicht mein Fall. Aber im Konzert klingt es ja oft besser. Du hast auch einen schönen Blog. Vielleicht sehen wir uns ja mal auf einem Konzert. : )

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  2. Hey :),
    kein Problem, ich bin auch jetzt erst wieder dazu gekommen, wieder nachzusehen :).
    Ja das hoffe ich auch, bei mir ist es aber eher unwahrscheinlich, dass es klappt, aber ich drücke dir die Daumen! Ach so ok :). Ja, live hört er sich wirklich nochmal ganz anders an als auf seinem Album, sehr viel emotionaler und "roher".
    Vielen Dank!! Ja, das wäre ziemlich cool :)
    Liebe Grüße, Finja

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